Wir dokumentieren hier einen Recherche-Artikel von Rhein-Main Rechtsaußen.

Dieser Artikel wurde am 25.10.2024 aktualisiert und angepasst.

Die Reichsbürgerszene tritt im Großraum Rhein-Main immer öfter und selbstbewusster in Erscheinung. Es finden Aufzüge und Vorträge statt und es etablieren sich Treffpunkte. Die Behörden zeigen sich schlecht informiert, nachlässig und handlungsunwillig. Aktuelle Beispiele aus Herborn, Idstein, Nidda und Frankfurt machen dies deutlich. Für die nächsten Wochen sind weitere Veranstaltungen angekündigt.

In der Szene fließen Esoterik, Selbstoptimierungs-Business, Heilsversprechen, betrügerische Geschäftspraktiken und knallharte rechtsradikale Ideologie bis hin zur offenen Holocaustleugnung zusammen, wie an folgenden Beispielen zu erkennen ist.

Holocaust-Leugnung in Herborn-Seelbach

Am 20. Oktober führte die Reichsbürger-Organisation Verband Deutscher Wahlkommissionen (VDWK) im Herborner Stadtteil Seelbach (Lahn-Dill-Kreis) einen »Zukunftskongress« durch. Ca. 70 Personen nahmen daran teil. Ein Redner war »Niklas« vom VDWK, der den Telegram-Kanal »Klas Heimatliebe« betreibt und nach eigener Aussage aus Hessen kommt. Der VDWK ist eine Phantasie-Behörde bei der sich »deutsche Staatsangehörige« registrieren lassen können, um im Falle einer Rückkehr zum »Deutschen Reich« wahlberechtigt für eine »verfassungsgebende Versammlung« zu sein. Die Frage, wer als deutsch gilt und wer nicht, wird dabei anhand völkischer Kriterien entschieden.

Hauptreferent des »Zukunftskongresses« war Matthes Haug aus Baden-Württemberg. Er ist Verfasser des Buches »Das Deutsche Reich 1871 bis heute«, in dem er die Ansicht vertritt, dass die Bundesrepublik nicht existiere und das Deutsche Reich fortbestehe. Im Jahr 2022 nahm die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen Haug auf, da er an mindestens einem internen Treffen der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß teilgenommen und dort einen Vortrag gehalten hatte. Die Reuß-Gruppe hatte einen Staatsstreich geplant und Haug in ihrem neu zu bildenden Regime einen Ministerposten zugedacht. Im Dezember 2022 wurde die Gruppe ausgehoben. In einer Sprachnachricht in seinem Telegram-Kanal vom 21. Oktober 2024 bekräftigt Haug, dass er Heinrich XIII. Prinz Reuß für den rechtmäßigen Herrscher über die Gebiete in Thüringen ansehe, die bis 1919 die beiden Fürstentümer Reuß gebildet hatten.

Für die Organisation des »Zukunftskongresses« war Klaus Abel aus Greifenstein (Lahn-Dill-Kreis) zuständig. Er betreibt zusammen mit seiner Ehepartnerin ein »Zellular Gesund Forum Lahn-Dill-Westerwald«, das sich als »Selbsthilfegruppe im Caritasverband Wetzlar/Lahn-Dill-Eder e.V.« darstellt und so versucht, seriös zu wirken. Das Unternehmen vertreibt pseudomedizinische und esoterische Produkte und vermittelt Finanzberatung. Wer sich vom Versprechen »Steuerfreiheit, trotz Einkommen!« ködern lässt, landet auf der Homepage eines Unternehmens, das als Sitz Dubai angibt und zweitägige Seminare zur »Steuerfreiheit« anbietet, deren Teilnahmegebühr 1.499€ beträgt. Letztlich ist Abel nur eine von vielen Personen im Reichsbürger-Spektrum, die ihre betrügerischen Geschäfte in einen politischen Rahmen einbetten.

Fahrzeug eines Teilnehmers des »Zukunftskongresses«. Die Beklebungen zeigen klassische Motive der Reichsbürger-Szene: Der Schriftzug »25+1=1« symbolisiert zusammen mit der Reichsfahne das Deutsche Reich, welches aus 26 Fürstentümern und Bundesstaaten bestand. Der Schriftzug links ist an die Flagge des Königreiches Preußen angelehnt. Quelle: Privat

Für die Veranstaltung hatte Abel das »Landgasthaus Dernbach Stuben« angemietet und dort ein üppiges Buffet für 80 Personen bestellt. Dies war für den Gastwirt Achim Betz ein lukratives Geschäft. Trotz des Hinweises im Vorfeld auf den politischen Charakter der Veranstaltung hielt Betz an der Vermietung fest und reagierte aggressiv auf die vor Ort anwesenden Pressevertreter*innen.

Die Teilnahme an der Veranstaltung kostete 45 Euro, die BesucherInnen kamen aus dem gesamten Bundesgebiet. Unter ihnen waren bekannte Gesichter aus der rechten Verschwörungsszene, darunter Aktive der Partei DieBasis, wie zum Beispiel Thomas Unverzagt, stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Groß-Gerau und Kandidat der Partei zur Bundestagswahl 2021.

Eine Teilnehmerin und Interviewpartnerin des Medienprojekts Hessencam war Myriam Bernardi. Sie betreibt in Koblenz ein Unternehmen für Coaching und gibt auf ihrer Homepage unter anderem das Rote Kreuz und das Jobcenter als Referenz an. Sie sagte ins Mikrofon von Hessencam, dass Deutschland kein Staat, sondern nur eine Makulatur sei und holte dann zu einem Referat über deutsche Geschichte aus. Sie beklagte die »verdrehte Geschichtssicht auf unsere nationalsozialistische Phase«. Damit seien »die Leute ja in die Irre geschickt worden mit Schuld und was weiß ich, als ob wir die Bösen in der Welt sind und das sind wir nicht. Die Geschichte ist gefälscht worden. Ich hab ne Studie gelesen aus Amerika von Wissenschaftlern, die genau aufzeigen, dass diese ganzen Judenvernichtung, dass das so nicht war, dass wir Leichenberge gesehen haben, das waren Deutsche. Das waren Deutsche, die da gemordet und gequält worden waren«. Auf die Nachfrage von Hessencam: »Also hat der Holocaust nicht so stattgefunden?« kam die entschiedene Antwort: »Nein, auf keinen Fall!«.

Im Interview mit Hessencam leugnet Myriam Bernardi aus Koblenz offen den Holocaust. Quelle: YouTube, Hessencam.

Ein weiterer Teilnehmer des »Zukunftskongresses« war Karl Kramer, Ortsbeiratsmitglied der CDU in Gießen-Allendorf. Er sagte im Gespräch mit Hessencam, dass er nicht glaube, dass er auf dieser Veranstaltung Rechtsradikale treffen werde. Er habe noch »nie irgendwelche Rechtsradikalen getroffen«, vielmehr Sorgen mache er sich »wegen den ganzen Linksradikalen«. Was Deutschland angehe, so sei hier »einiges rechtlich zu erledigen, damit wir halt eben tatsächlich wieder ein souveräner Staat werden«.

Auch der CDU-Kommunalpolitiker Karl Kramer aus Gießen nahm am »Zukunftskongress« teil und gab Hessencam ein Interview. Quelle: YouTube, Hessencam.

Zu Reichsbürgern wird oft ein Bild von Querulantinnen und Einzelgängern vermittelt, die sich in eine Parallelwelt hinter hohen Zäunen zurückgezogen hätten. Am Beispiel des »Zukunftskongresses« wird klar, dass dieses Klischee auf viele dieser Szene nicht zutrifft. Diese bewegen sich inmitten der Gesellschaft und viele Menschen in ihrem beruflichen und sozialen Umfeld dürften wenig Ahnung über deren politisches Treiben haben.

Ein Beispiel hierfür ist auch Tanja Wagner aus Gemünden-Burg im Vogelsbergkreis, die am »Zukunftskongress« in Herborn teilnahm. Auch beim bundesweiten Reichsbürger-Aufzug »Das Große Treffen der 25+1 Bundesstaaten« am 6. April 2024 in Gera war sie dabei und trug die Fahne einer Gruppe, die als »Herzogtum Hessen« auftrat. Die AnhängerInnen der »25+1 Bundesstaaten« gehen davon aus, dass das Deutsche Reich aus 26 eiwürdenzelnen Bundesstaaten und Fürstentümern – darunter das Herzogtum Hessen – fortbestehen würde und dass noch immer die Reichsverfassung von 1871 gültig sei. Das Staatsbürgerschafts-Verständnis der Gruppe basiert auf völkischer Blut- und Boden-Ideologie. Tanja Wagner betreibt ein Unternehmen namens Seven Sundays, das »kostenlose Schlafberatung« anbietet (»Wer besser schläft – ist besser wach«). In der Gemeinde Gemünden leistet sie kommunale Arbeit, so zum Beispiel im April 2024 bei der Müllsammelaktion »Sauberhaftes Gemünden Felda«, wofür sie auch in der Zeitung posierte. Im August 2024 sie im Rahmen des kommunalen Programms »Ferienspiele 2024« einen Ausflug von Kindern in den Kletterwald in Gießen. Auch engagiert sie sich seit Jahren bei Veranstaltungen der evangelischen Kirchengemeinde.

Tanja Wagner aus Gemünden (Vogelsbergkreis) ist eine bekannte Aktivistin der Reichsbürgerszene. Links beim »Großen Treffen der 25+1 Bundesstaaten« am 6. April 2024 in Gera, rechts beim »Zukunftskongress« am 20. Oktober 2024 in Herborn. Quelle: Facebook

Der »Zukunftskongress« in Herborn war der vierte seiner Art. Die vorausgegangenen Treffen hatten 2022 und 2023 in Thüringen und Bayern stattgefunden. Dort waren sie, ganz im Gegensatz zu Hessen, ein Politikum und großes Thema in der regionalen Presse.

Der Polizeieinsatz im Rahmen des »Zukunftskongresses« in Herborn zeigt einmal mehr, dass die hiesigen Behörden die Gefahr, die von diesem Spektrum ausgeht, noch immer nicht erkennen (wollen). Wohl war die Polizei im Vorfeld über die Veranstaltung informiert und bezog mit mehreren Mannschaftswagen am Ortsrand von Seelbach Stellung. Doch beschränkte sie sich darauf, die Personen zu kontrollieren, die nach Seelbach einfuhren. Ob die Behörden in der Lage sein werden, die BesucherInnen des Kongresses von Unbeteiligten zu trennen, muss bezweifelt werden. Es wurden auch Personalien von Personen aufgenommen, die zwar die »Dernbacher Stuben« als Ziel hatten, jedoch nur zu Mittag essen wollten und dort aufgrund der geschlossenen Reichsbürger-Gesellschaft fortgeschickt wurden. Während diese sich darüber sorgten, nun in der polizeilichen Reichsbürgerdatei gespeichert zu sein, konnte die Reichsbürgerszene vor dem Landgasthof völlig ungehindert agieren.

Im direkten Umfeld der Gaststätte wurde über Stunden keine Polizei gesehen. So konnte Myriam Bernardi vor laufender Kamera und für Umstehende hörbar den Holocaust leugnen und danach am Treffen teilnehmen. Auch war für die wenigen Pressevertreter*innen vor Ort kein polizeilicher Schutz gegeben, so dass diese ihre Arbeit nur eingeschränkt machen konnten. Auch von Anwohnenden kam es immer wieder zu missbilligenden Äußerungen gegenüber den Pressevertreter*innen und zu Solidarisierung mit dem Wirt und den Teilnehmenden.

Reichsbürger-Treffpunkt in Idstein

Der »Erlebnishof Schart« in Idstein-Oberauroff ist ein Treffpunkt der Reichsbürgerszene. Zur Anlage gehören die weißen Gebäude auf dem Bild. © Rhein-Main Rechtsaußen

Als ein Treffpunkt der Reichsbürgerszene kristallisiert sich der »Erlebnishof Schart« in Idstein-Oberauroff (Rheingau-Taunus-Kreis) heraus. Seit mindestens 2022 finden dort einschlägige Veranstaltungen statt. Unter anderem trat dort am 18. September 2022 und am 24. April 2023 Markus Lowien aus Norddeutschland auf. Dessen Telegram-Kanal wimmelt von Verschwörungserzählungen und rechtsradikalen Bekenntnissen. Im Herbst 2023 kam im Koblenzer Prozess gegen die Reichsbürgergruppe Vereinte Patrioten zur Sprache, dass Lowien an etlichen internen Treffen der Gruppe teilgenommen hatte, was die Frage aufwirft, warum er nicht auf der Anklagebank sitzt. Die Vereinten Patrioten hatten Anschläge auf die Stromversorgung und die Entführung des Gesundheitsministers Karl Lauterbach geplant. Die Veranstaltungen von Lowien in Idstein fanden offensichtlich ungestört und unbeachtet von der Polizei statt.

Die Reichsbürger-Szene ist ein Tummelplatz für Männer, die alles zu wissen und zu verstehen glauben. So zum Beispiel Markus Lowien, hier am 24. April 2023 auf einer Veranstaltung in Idstein. © Rhein-Main Rechtsaußen

Der Inhaber des »Erlebnishofes« Herbert Schart stellt diesen Treffen nicht nur die Räume zur Verfügung und verpflegt die Teilnehmenden. Er lädt auch selbst zu diesen Treffen ein bzw. dient als Kontaktperson. Bei Schart zeigt sich der recht typische Fall eines Gewerbetreibenden, der sich durch grüne und angeblich wirtschaftsfeindliche »Verbotspolitik« benachteiligt sieht und nach rechts radikalisiert hat. In seinen Beiträgen in sozialen Netzwerken hetzt er voller Zynismus gegen Nachhaltigkeitspolitik und die Klimaschutzbewegung, Gleichstellungspolitik und eine angeblich zu liberale Asylpolitik. Dazu verbreitet er Erzählungen über eine »Weltregierung der UNO«, über »Chemtrails« und darüber, dass die Corona-Pandemie von langer Hand geplant worden sei (»Plandemie«). Auf seinem Hof fanden auch Treffen des Querdenken-Spektrums statt. Über Facebook suchte Schart Mitreisende zur Querdenken-Demonstration am 3. August 2024 in Berlin.

Für den 10. November ist die nächste Reichsbürger-Veranstaltung in Idstein angekündigt. Referieren sollen »Niklas« vom Verband Deutscher Wahlkommissionen und Klaus Maurer aus Berlin. Maurer hatte im Jahr 2012 das Buch »Die BRD GmbH« veröffentlicht, eine Art »Standardwerk« der Szene. Darin führte er das gängige Reichsbürger-Narrativ aus, wonach Deutschland kein souveräner Staat sei, sondern nur eine Firma. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Maurer bekannt, als DER SPIEGEL im August 2022 aufdeckte, dass er viele Jahre lang in mehreren Bundesländern als psychiatrischer Gerichtsgutachter tätig gewesen war. Allein für das Land Hessen hatte er etwa 2.000 Gerichtsgutachten verfasst, einige davon zu einem Zeitpunkt, als sein Buch »Die BRD-GmbH« bereits auf dem Markt war und das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg vor ihm warnte.

Webung für den gemeinsamen Vortrag von Klaus Maurer und »Niklas« in Idstein. Anmelden sollen sich Interessierte bei Herbert Schart. Quelle: Telegram

Wo Reichsbürger »nicht als radikal« gelten

Wie wenig die Behörden in der Lage sind, dieses Milieu zu begreifen, zeigen die Geschehnisse um die Vorführung des Filmes »Nur ein Piks – im Schatten der Impfung« im Bürgerhaus in Nidda (Wetteraukreis) am 5. Oktober 2024. Der Film ist ein Propagandawerk radikaler und rechter Impffeinde. Produziert wurde er von Mario Nieswandt aus Brandenburg, der bis Ende 2022 für das extrem rechte COMPACT Magazin tätig war und bei den Brandenburger Kommunalwahlen im Juni 2024 für die AfD kandidierte. Organisiert wurde die Filmvorführung von dem bekannten Reichsbürger Bruno Ramge aus Nidda.

Ursprünglich hätte der Film im örtlichen Kino Lumos Lichtspiel & Lounge laufen sollen, doch nachdem die Kinobetreiber über den politischen Hintergrund der Veranstaltung informiert worden waren, sagten sie diese ab. So mietete Ramge kurzfristig einen Saal im Bürgerhaus Nidda an, welches von der Stadt verwaltet wird.

In der Stadtverwaltung sah man angeblich keine Möglichkeit, die Raumanmietung zu verweigern. Der Leiter des städtischen Hauptamtes Uwe Bonarius erklärte der Presse, dass der Film schließlich nicht verboten und Ramge »nicht als Radikaler bekannt« sei. Man verlasse sich auf die Einschätzung der Polizei, bei der Ramge ein »unbeschriebenes Blatt« sei. Doch diese polizeiliche Auskunft besagt lediglich, dass Ramge nicht als (einschlägiger) Straftäter in den polizeilichen Datenbänken aufgeführt ist. Dies ist mitnichten als Einschätzung oder gar als politische Bewertung aufzufassen.

Um zu einer Einschätzung zu kommen, braucht es keinen Anruf bei der Polizei. Es genügt ein kurzer Blick in das Facebook-Profil von Ramge, in dem er völlig offen sein Denken und seine Aktivitäten darstellt. Dort solidarisierte er sich mit dem COMPACT-Magazin, als dieses im Sommer 2024 kurzzeitig verboten wurde und auf etlichen Fotos gibt er sich als Reichsbürger vom harten Kern zu erkennen. Zusammen mit seiner Lebenspartnerin Ines Wirth, einer Anhängerin der AfD, nahm er am 28. Oktober 2023 in Dresden und am 6. April 2024 in Gera am »Großen Treffen der 25+1 Bundesstaaten« teil. Dort »repräsentierten« die beiden die Gruppe »Herzogtum Hessen«, Ramge trug in Dresden deren Schild und Wirth in Gera deren Fahne. Dass sich Ramge mit den Ansichten der »25+1 Bundesstaaten« identifiziert, wird auch daran deutlich, dass er entsprechende Anstecker trägt.

Auf der Reichsbürger-Veranstaltung »Das Große Treffen der 25+1 Bundesstaaten« am 28. Oktober 2023 in Dresden trug Bruno Ramge das Schild der Gruppe »Herzogtum Hessen«, auf dem Aufzug am 6. April 2024 in Gera trug Ines Wirt die historische Fahne des Herzogtums. Quelle: Facebook

Die Veranstaltung im Bürgerhaus Nidda fand am 5. Oktober ohne jegliche Störungen statt. 130 Personen waren gekommen, darunter etliche Bekannte aus der rechten Verschwörungsszene und auch Daniel Lachmann und Stefan Jagsch vom Landesvorstand der neonazistischen Partei Die Heimat (ehemals NPD). Im Anschluss an die Vorführung folgte eine einstündige Diskussion mit Filmemacher Nieswandt, der noch am selben Abend die Meldung über den »tollen Erfolg« in Nidda verbreitete. Ramge bedankte sich sogleich über Facebook für den »sehr sehr fairen« Umgang der Stadt Nidda mit ihm und seiner Veranstaltung. Die Polizei habe aufgepasst, dass keine Antifaschist*innen störten und Herr Bonarius habe – so Ramge – in Absprache mit dem Bürgermeister sogar veranlasst, dass die BesucherInnen auf dem abgesperrten Teil des Bürgerhaus-Geländes parken durften, ohne dafür Knöllchen zu kriegen.

Solidaritätsbekundungen mit den Angeklagten der Reuß-Gruppe

Während das Wegducken der Behörden bei der Veranstaltung in Nidda den Teilnehmenden einen »tollen Erfolg« verschaffte, lud Bruno Ramge auf seiner Facebookseite demonstrativ ein neues Titelbild hoch. Es zeigt Ines Wirth, die Frankfurterin Dorothea Maria Eckert und die (mittlerweile in Chemnitz wohnhafte) Neonazistin Guilia Hahn, die bei einem Aufzug der rechten Verschwörungsszene in Frankfurt ein Transparent tragen mit Aufschrift: »Die Wahrheit verbreitet sich wie die Samen der Pusteblume. Unser Herz-Polizist und #HeldDerAufarbeitung Michael Fritsch.« Ramge und Wirth sind treibende Kräfte einer Solidaritätskampagne für den Ex-Polizisten und Reichsbürger Michael Fritsch, einem der neun Angeklagten im Frankfurter Prozess gegen die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. In dieser war Fritsch laut Anklage für den Bereich »Sicherheit und Polizei« zuständig und mitverantwortlich für die Bildung sogenannter Heimatschutzkompanien. Diese hätten nach dem Putsch die Ordnung im neuen Staat durchsetzen sollen. Laut der Staatsanwaltschaft gab es in der Gruppe einen breiten Konsens, Personen zu töten, die sich dem neuen Regime widersetzten.

Ines Wirth (hinter dem Transparent in der Mitte) und Bruno Ramge betreiben eine Solidaritätskampagne mit dem Reichsbürger Michael Fritsch, einem der Angeklagten im Prozess gegen die Gruppe des Heinrich XIII. Prinz Reuß. Das Foto zeigt einen Aufzug der rechten Verschwörungsszene in Frankfurt am 15. Juli 2024. Links am Transparent Dorothea Maria Eckert, rechts am Transparent die Neonazistin Giulia Hahn. Quelle: Facebook

Aus Anlass der Geburtstage von Fritsch und einem weiteren Angeklagten, dem Neonazi Peter Wörner aus Bayern, zogen am 23. Juli 2024 bei strömenden Regen 20 AnhängerInnen der Reuß-Gruppe vor das Gefängnis in Weiterstadt (Landkreis Darmstadt-Dieburg), wo die beiden inhaftiert sind, um diesen ihre Solidarität zu bekunden.

Am 15. September 2024, zum Geburtstag der Angeklagten Johanna Findeisen-Juskowiak waren es dann fast 40 Personen, die zwei Stunden lang singend und trommelnd um das Gefängnis in Frankfurt-Preungesheim zogen, wo Findeisen-Juskowiak einsitzt. Die Polizei beschränkte sich bei beiden Terminen darauf, den Verkehr zu regeln. Und schon wird der nächste Aufzug beworben. Aus Anlass des 73. Geburtstags von Heinrich XIII. Prinz Reuß wollen am 8. Dezember 2024 seine AnhängerInnen »lautstark und trommelnd« vor dem Preungesheimer Gefängnis demonstrieren.

Aufzug von AnhängerInnen der Gruppe des Heinrich XIII. Prinz Reuß vor dem Gefängnis in Frankfurt-Preungesheim am 15. September 2024 aus Anlass des Geburtstags von Johanna Findeisen-Juskowiak. Quelle: Telegram